Liebes Tagebuch,
wie läuft das eigentlich ab, wenn KENTUCKY SCHREIT mal wieder eine Bühne aufsuchen will? Ich gestatte jetzt dem geneigten Leser einen Einblick hinter die Kulissen, dieser außergewöhnlichen Popgruppe, die sich so sehr danach sehnt auf einem Bravo-Poster zu erscheinen.
Wie vielleicht dem einen oder anderen Leser bereits bekannt ist, beginnt für die meisten Musiker der Auftritt nicht erst mit dem Moment bei dem der Techniker im Hintergrund das Playback startet und mit Autotune versucht noch ein bisschen Musik zu retten. Nein, der ganze „Spaß“ beginnt mit dem sogenannten „Get-In“: eine Uhrzeit in den frühen Morgenstunden zu welcher der Musiker in der „Location“ zu erscheinen hat oder anders gesagt, die Uhrzeit für die sich der Musiker den Wecker stellt, um nach einer verkaterten Nacht aufzustehen. Für Erding war der Wecker also auf 3 Uhr gestellt… nachmittags. Sämtliche Bandmitglieder haben sich allerdings noch nicht daran gewöhnt, dass sie mangels eines Bandbusses (Spenden für ein solch duftes Gefährt nehmen wir immer gern nach den Konzerten am Merch-Stand entgegen) nicht vor der Haustür abgeholt werden. Aus diesem Grund muss zum Teil auf den berüchtigten Nahverkehrsverband zurückgegriffen werden. Zum Glück geht die Reise ja nur bis Erding und nicht nach Tittenkofen.
Kurz nach dem Weckruf werden sämtliche Sachen gepackt und noch wichtige Telefonate geführt. Hendrik verkündet Alex stolz, dass er sogar schon Saft und Strohhalme für die Bühne gekauft hat und merkt im gleichen Moment, dass ihm wohl doch ein Fehler beim Erstellen seiner Einkaufsliste unterlaufen ist. Da Hendrik sich von diesem Zeitpunkt an allerdings im MVV gegen den abendlichen Wiesenzustrom kämpft und sich samt Gitarrenkoffer zwischen zwei verfrühten Bierleichen einen Sitzplatz ergattert, musste Alex bei seiner Anreise noch einen kurzen Abstecher machen und die fehlenden Flüssigkeiten aufstocken. Frisches Quellwasser aus den Schweizer Alpen ist aber schwer aufzutreiben. Gegen fünf Uhr treffen sich alle Bandmitglieder ausgeschlafen vor dem SONIC in Erding. Alle? Nein, es fehlen Philipp, der sich noch auf der Rückfahrt seines Motoradurlaubs befindet und wohl im Laufe des Abends gedenkt einzutrudeln und Michi unser invalider Drummer, der sich wohl mittlerweile an allen Körperteilen verletzt hat, die man noch irgendwie sinnvoll zum Schlagzeug Spielen einsetzen kann. Als er sich weigert mit seinem Kopf die Bassdrum zu spielen, habe ich kurzentschlossen den Schlagzeuger von Chasin‘ Friday entführt und ihn zum Proben mit einer bekloppten Band animiert. Ganze zwei Mal hat das funktioniert. Es ist auch Tobi, der jetzt schon seit zwei Stunden auf diese Band wartet und sich bereits einen Racheplan überlegt hat. Doch dazu später.
Der Soundcheck verläuft dagegen recht ereignislos und entgegen unseren Vermutungen sind wir sogar als erstes dran. Konsequenz: Wir können als erstes zum Essen übergehen. Als eine Band die normalerweise zu 4/5 aus Studenten besteht (ich rechne mich da nicht mit ein, da ich ja ein Superheld bin und außerdem helfe ich ja auch nur aus), wissen wir natürlich eine warme Mahlzeit zu schätzen und finden die Küche vor den anderen Bands. Tobi und Hendrik bedienen sich außerdem dabei an Trick 17: Sie vergessen zufällig den restlichen Bandmitgliedern die Tür zur Küche zu öffnen. Aus irgendeinem Grund hatte sich diese Tür wohl versperrt. Ein Missverständnis, dass sich erst klärt, als Hendrik und Tobi ihre erste hervorragende Portion Hühnchen mit Reis verspeist haben. Mitglieder anderer Bands werden mit einstudiertem Fäkalhumor vom Essen abgehalten. Beim restlichen Essen werden noch offene Fragen geklärt: Was trägt Eileen für Miniröcke, wenn es mal schneien sollte auf der Bühne? Wer muss den Bühnenkönig bezahlen oder alternativ betrunken machen? Außerdem stellen wir noch wichtige Bauernregeln auf, falls es auf der Bühne nachher nicht laufen sollte (z.B. Kräht der Tobi auf dem Mist, dann ändert sich grad der Rhythmus oder er bleibt wie er ist). Von Philipp fehlt nach wie vor jede Spur. Wir tippen darauf, das Amsterdam ihn wohl doch magischer angezogen hat. Aber warum Amsterdam? Er wollte doch nach Schottland. Die ersten Nebenwirkungen des Hopfensaftes scheinen langsam aufzutreten. Des Weiteren teile ich ihnen mit, dass ich während des Gigs ebenfalls einen geheimen Auftrag zu erledigen habe (den Mond rot anmalen). Als Reaktion wird einstimmig beschlossen (ok, mit einer Gegenstimme), das Eileen als SAX-Girl bei meinen Titelsong auftreten soll. Hendrik bereut diese Entscheidung später, da er nun gezwungenermaßen den Text wohl live umdichten muss und es wegen des Quellwassers in seinem Saft nur spärlich hinbekommt. Der Rest amüsiert sich köstlich über die Doppeldeutigkeit bei der Namensgebung ihrer Ersatzsuperheldin und unterlassen keinen Versuch ihn unbeteiligten Personen zu erklären.
Nach Einlass füllt sich der Konzertsaal langsam … sehr langsam… mit Nebel und etwas Publikum. Im Anschluss spielen die Bands Flashback, Farewell Mona Lisa und State Zero. Alex und Hendrik begnügen sich mit Pogo in der dritten Reihe, wobei sie damit wortwörtlich auf die Schnauze fallen. Michi, unser invalider Drummer ist inzwischen auch eingetroffen, um seine Pot… äh Präsenz zu zeigen und erhebt Ansprüche auf den Thron des Bühnenkönigs, die wir ihm jedoch verweigern, da die Bühne weder ein Segel noch eine Reling besitzt. Wir finden dieses Argument sehr witzig, da er aktuell wie ein Pirat mit Holzbein durch die Gegend zieht. Tobi rächt sich mittlerweile, indem er fast die komplette Flasche Quellwasser zur Bühnencocktailmischung verwendet. Wobei dieser Plan auch zum Teil nach hinten losgeht, da er ja gleich auch mit auf die Bühne muss.
Dann geht’s endlich los für uns. Zu dem Klang des legendären Klassikers von Sofaplanet tasten wir uns vorsichtig durch den Nebel zur Bühne. Eileen und Alex können wegen schlechter Sicht auf der Bühne einen beinahe Zusammenstoß vermeiden und Tobi erfreut sich am Pfefferminzduft des Nebels.
Fazit des Tages: Nebelschlussleuchten sollten im SONIC auf der Bühne zur Pflicht werden, um etwaigen Unfällen vorzubeugen.
Dein Trumpetman